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Der Kampf ist eröffnet

Hintergrund. Die Linke soll Bürgerrechtspartei werden

Der im März 2010 von Oskar Lafontaine und Lothar Bisky vorgelegte Entwurf für ein Programm der Partei Die Linke erfährt Widerspruch von prominenter Seite. Die Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Parlamentspräsidentin Petra Pau lehnt ihn ab: »Ich würde dem Entwurf, so wie er ist, nicht zustimmen. Er ist mir zu schwarz-weiß. Er ist mir zu widersprüchlich. Er ist mir zu beliebig.« So Pau auf dem Landesparteitag der Berliner Linken am 24.April 2010. Sie wünscht sich statt dessen eine »moderne sozialistische Bürgerrechtspartei«. Unterstützung findet sie dabei in der parteiinternen Strömung der Libertären Linken um Katja Kipping und der Zeitschrift Prager Frühling. Wer den Kampf um die Geschichte gewinnt, der gewinnt auch die Zukunft, so heißt es. Das gilt besonders für eine Partei wie Die Linke, die sich auf die Arbeiterbewegung beruft. Petra Pau weiß, daß man einer solchen Bewegung nur dann eine grundsätzlich andere, in diesem Fall eine libertäre Richtung geben kann, wenn man hierfür auf linke Klassiker zurückgreifen kann. In einem Vortrag, den sie am 22. März 2010 vor Mitgliedern des Bezirksverbands der Linken Berlin-Reinickendorf hielt, hat sie dies versucht.1 Mit Friedrich Engels, Karl Marx und Rosa Luxemburg berief sie sich dort auf gleich drei Klassiker sozialistischen Denkens. Engels’ Mahnung Petra Pau begann ihren Vortrag mit einem Zitat: »Friedrich Engels schrieb am 5.3.1892 an Karl Kautsky: ›Der Liberalismus ist die Wurzel des Sozialismus, will man also radikal verfahren, so muß man den Liberalismus kaputtmachen, dann verdorrt der Sozialismus von selbst!‹ (Engels an Kautsky, Brief vom 5. März 1892, MEW 38, S. 288)«. Für sie ist klar: »Im Zentrum des politischen Liberalismus steht demnach die individuelle Freiheit des Menschen. Die Mahnung von Friedrich Engels bedeutet nichts anderes: Ein Sozialismus, der die individuellen Freiheitsrechte mißachtet, ist kein Sozialismus (vgl.: Scheitern des Realsozialismus sowjetischer Prägung). Mehr noch: Für Friedrich Engels war der Liberalismus die (siehe Zitat) ›Wurzel des Sozialismus‹. Was wiederum aktuell bedeutet: Wer einen Demokratischen Sozialismus anstrebt, muß die individuellen Freiheitsrechte jedes Bürgers und jeder Bürgerin hochhalten und verteidigen.« Nun ist es kein Geheimnis, daß der Sozialismus der DDR, jener in Paus Worten »Realsozialismus sowjetischer Prägung«, erhebliche rechtsstaatliche Mängel vor allem beim Schutz individueller Freiheitsrechte aufwies. Dies war einer der Gründe für seinen Niedergang. Uwe-Jens Heuer und Hermann Klenner haben überzeugend herausgearbeitet, was da in der DDR fahrlässig unterlassen bzw. bewußt falsch entschieden wurde. So sind, nach Klenner, »die im Artikel 138 der DDR-Verfassung von 1949 vorgesehenen Verwaltungsgerichte gar nicht erst etabliert worden, ein eindeutiger Verfassungsbruch.«2 Die Kritik an der mangelnden Rechtsstaatlichkeit der DDR gehört denn auch zum Gründungskonsens der PDS. Die von Pau erhobene Forderung: »Wer einen Demokratischen Sozialismus anstrebt, muß die individuellen Freiheitsrechte jedes Bürgers und jeder Bürgerin hochhalten und verteidigen« ist denn auch nicht umstritten. Schon gar nicht ist diese Aussage für jene Parteimitglieder aus dem Westen neu, die aus der SPD oder der DKP gekommen sind. Manche von ihnen waren schon bei den Protesten gegen die Notstandsgesetze dabei. Viele litten unter Berufsverboten bzw. standen an der Seite der Opfer. Sie alle wissen nur zu gut um den Wert individueller Freiheitsrechte, sie brauchen keine Belehrung. Es geht um mehr Doch Petra Pau geht es um mehr. Mit Hilfe von Engels will sie den Liberalismus in die Programmatik der Linkspartei hineinbringen. Sie sagt: »Für Friedrich Engels war der Liberalismus die ›Wurzel des Sozialismus‹ (…)«. Doch stimmt das überhaupt? Ein Blick in den Band 38 der Marx-Engels-Werke bringt Erstaunliches ans Licht. Engels behandelt in seinem Schreiben an ­Kaut­sky zunächst eine ganze Reihe von persönlichen, tagespolitischen und redaktionellen Fragen. Dann kommt er zu politischen Ereignissen im Berlin jener Tage, wo es Proteste und Straßenaufläufe gegeben hatte. Zum Hintergrund: Im Februar 1892 war es im Berliner Zentrum zu Arbeitslosenunruhen gekommen. Die Sozialdemokratie hatte sich von diesen spontanen und teilweise gewaltsamen Protesten distanziert, auch aus Sorge, daß sie nach der langen Zeit der Sozialistengesetze erneut in die Illegalität verbannt werden könnte. Unterstützt wurden diese Proteste aber von den sogenannten Jungen Wilden in der Partei. Engels nennt sie in seinem Brief »Krawaller«. In der Geschichtsschreibung heißt es über die Jungen Wilden: »Bei der Opposition handelte sich um eine anarchoide Gruppierung, 1889–92, die der Verabsolutierung des Parlamentarismus eine ebenso abstrakte völlige Negation aller parlamentarischen Tätigkeit entgegensetzte.«3 Die entscheidende Passage des Engels-Briefes, aus der Pau zitiert, hat nun folgenden Wortlaut: »Ich glaube nicht, daß Du vorderhand gefährdet bist. Die Berliner Gelüste sind so wackelig und vielseitig, daß keins zur wirklichen Befriedigung kommt – jetzt sind die liberalen Bourgeois plötzlich bête noire (die Angstgegner – M.S.). Der Liberalismus ist die Wurzel des Sozialismus, will man also radikal verfahren, so muß man den Liberalismus kaputtmachen, dann verdorrt der Sozialismus von selbst. Dies ausgezeichnet schlaue Manöver können wir uns einstweilen mit stiller Heiterkeit ansehn. Sind erst die liberalen Philister wild gemacht, und sie scheinen wirklich in die Wut wider Willen hineingejagt zu werden, dann ist’s auch mit Schreckschüssen gegen uns vorbei. Abgesehn davon, daß es auch Machthaber in Deutschland gibt, denen dieser Berliner Wind anjenehm sein dürfte, um sich ihm gegenüber wohlfeil populär zu machen und für Partikularismus und Reservatrechte Kapital herauszuschlagen. Als die Berliner Straßenaufläufe anfingen, war ich nicht ohne Besorgnis, es könne sich daraus die so heiß ersehnte Schießerei entwickeln, als aber die Krawaller den jungen Wilhelm anhochten und dieser damit beruhigt war, war alles in Ordnung (…)«.4 Jeder verständige Leser erkennt auf den ersten Blick, was Engels mit der Bezeichnung des Liberalismus als »Wurzel des Sozialismus« gemeint hatte. Er gibt damit nichts anderes als den Gedankengang der preußischen Aristokraten und Junker wieder, die zu dieser Zeit den liberalen Bourgeois wieder einmal als ihren Hauptfeind ausmachten, auch weil sie im Liberalismus die Ursache des Sozialismus sahen. Engels macht sich über »dies ausgezeichnet schlaue Manöver« lustig und rät dazu, es »mit stiller Heiterkeit« anzusehen. Groteske Verdrehung Auf den damals im Deutschen Reich erneut ausgebrochenen Kampf Aristokratie gegen Bourgeoisie geht Engels auch in einem Brief an Friedrich Adolph Sorge, gleichfalls vom 5.März 1892, ein. Darin belustigt er sich über die Ansichten Kaiser Wilhelms II., daß die Sozialdemokraten Abkömmlinge des Liberalismus seien: »Zum Glück richtet sich die regis voluntas, die so gern suprema lex würde, heut gegen uns und morgen gegen die Liberalen, und nun hat er gar entdeckt, daß alles Pech von den Liberalen kommt, deren Abkömmlinge wir sind – das haben ihm seine Pfaffen beigebracht.«5 Das von Petra Pau angeführte Engels-Zitat ist vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen und dabei grotesk verdreht worden. Sie bzw. ihre überfleißigen Mitarbeiter haben kräftig danebengegriffen! Den Liberalismus als eine der Wurzeln des Sozialismus auszugeben, widerspricht dem gesamten Denken und Werk von Marx und Engels, die zeit ihres Lebens im bewußten und ausdrücklichen Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft und zum Liberalismus standen. Über die Bedeutung des Begriffs Liberalismus heißt es in dem von Wolfgang Fritz Haug herausgegebenen »Kritischen Wörterbuch des Marxismus« denn auch: »Der Begriff Liberalismus gehört zum politischen Wortschatz des Bürgertums (…). Der marxistische Diskurs enthält keine Definition dieses Ausdrucks, den er sich historisch auch nicht zu eigen gemacht hat; der marxistische Diskurs ermöglicht indes die Analyse und Kritik dieses Ausdrucks, entsprechend der Reflexion, die Marx und Engels die historische und politische Einordnung der liberalen Demokratie erlaubt hat (vgl. vor allem Manifest, MEW 4, 459 ff.). Der Liberalismus darf nicht als abstrakte Haltung, sondern muß als Klassenverhalten aufgefaßt werden.«6 Von Rosa nur ein Satz Kommen wir zur nächsten von Petra Pau zur Rechtfertigung eines libertären Sozialismus angerufenen Größe marxistischen Denkens, kommen wir zu Rosa Luxemburg. Über sie sagt Pau: »Schon Rosa Luxemburg erstrebte einen ›demokratischen Sozialismus‹. Davon zeugen unter anderen ihre Widerworte gegen Lenin. Bekannt ist ihr Zitat: ›Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden‹.« Pau zitiert nur diesen einen Satz. Doch erst wenn man ihn im Kontext liest, versteht man ihn. Der ganze Absatz lautet: »Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ›Gerechtigkeit‹, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die ›Freiheit‹ zum Privilegium wird.«7 Mit ihrem Hinweis, daß sie die Freiheit nicht »wegen des Fanatismus der ›Gerechtigkeit‹« für wichtig hält, sondern weil die Freiheit für die Bewegung, für den erfolgreichen Kampf, für die Behauptung der Revolution (die Aussage steht bekanntlich in ihrer Schrift über die russische Revolution!) notwendig ist, hatte Luxemburg klargestellt, wie sie diesen Satz verstanden wissen wollte: eingebettet in eine konkrete Analyse der konkreten Situation. In einer neuen Biographie über Rosa Luxemburg schreibt Dietmar Dath: »Verkürzt man das Denken der streitbaren Gelehrten auf solche Maximen und Sentenzen, dann unterschlägt man, daß für Marxisten wie sie alle Ideen, auch die richtigsten und die schönsten, Momente eines dynamischen Prozesses sind, nicht Gebote vom Berg Horeb. Theoretiker dieser Schule sind strenge Historisten: Sie glauben, daß das, was Tatsachen und Ideen bedeuten, jederzeit und überall historischen Veränderungen unterworfen ist.«8 Und so ist es überhaupt nicht überraschend, daß Rosa Luxemburg in anderen historischen Situationen zu anderen Schlüssen kam. In ihrem Werk finden sich zahlreiche Belege dafür, daß sie in und nach der Revolution eine harte und kompromißlose Unterdrückung der Gegner für absolut notwendig hielt. Noch einmal Dietmar Dath: »Bei der Bodenverstaatlichung, Zerschlagung der letzten ständischen Reste in der Landwirtschaft, quasi-militärische Reformierung der Industrie, bei der Agrarkollektivierung etwa gingen ihr gerade die Bolschewiki anfangs keineswegs zu weit, sondern im Gegenteil nicht weit genug. Wie hat sie sich das Etikett der milderen, freiheitlicheren, auf schwer zu bestimmende Weise irgendwie gemäßigten Linksradikalen zugezogen?«9 Die Antwort darauf könnte lauten: Weil viele von dieser großen Revolutionärin eben nur noch diesen einen Satz kennen und weiterverbreiten. Verstümmelte Zitate Nur einen einzigen Satz zitiert Petra Pau auch dort, wo sie Karl Marx für sich sprechen lassen will: »Die Linke wiederum beruft sich auf Karl Marx, wonach die Freiheit jedes einzelnen die Voraussetzung für die Freiheit aller ist.« Gemeint ist hier eine Aussage aus dem Manifest der Kommunistischen Partei, das allerdings von Karl Marx und Friedrich Engels stammt. Dort heißt es: »im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.«10 Zunächst ist festzuhalten, daß es Pau auch hier mit dem Zitieren nicht genau nimmt. Den von ihr herangezogenen Satz gibt sie nur halb und dann auch noch verstümmelt wieder. Betrachtet man die Aussage von Marx und Engels auch hier im Kontext, so kann kein Zweifel daran bestehen, was beide meinten. Sie sprechen von der »Aufhebung des Klassengegensatzes«, der »Klassen überhaupt« und damit am Ende auch von der Aufhebung der Herrschaft des Proletariats als Klasse. Dem geht naturgemäß die Revolution voraus, indem das Proletariat »sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt«. Marx und Engels sagen es gleich am Anfang klar und deutlich: »im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter.« Wohlgemerkt: Erst dann ist eine »Assoziation« denkbar, »worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.« Es ist schwer zu begreifen, wie man diesen doch so klaren und logischen Gedankengang derart mißverstehen bzw. verdrehen kann, daß er am Ende zur Begründung eines libertären Sozialismus taugen soll. Nun hat allerdings diese Fehlinterpretation in der Linkspartei Tradition. Man findet sie vielfach bei den Brüdern Brie und bei Dieter Klein. Inspiriert wurden sie offensichtlich von Stephan Hermlin. In seinem 1979 erschienenen Buch »Abendlicht« hatte Hermlin bekundet, daß er »erstaunt«, ja »entsetzt« war, als er »nach vielen Jahren fand, daß der Satz in Wirklichkeit gerade das Gegenteil besagte: ›… worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die Befreiung aller ist‹«.11 Mit anderen Worten: Dieser Satz aus dem Manifest der Kommunistischen Partei sei nach Hermlin 140 Jahre lang von Millionen von Marxisten immer nur falsch verstanden worden. Diese wundersame Hermlinsche Entdeckung ist aber nur aus der konkreten geschichtlichen Situation der DDR erklärbar, aus dem Leiden an fehlender Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Auch für die ehemalige Pionierleiterin Petra Pau steht diese bittere Erfahrung im Hintergrund, wenn sie heute sagt: »Das ist übrigens ein weiterer Punkt, an dem sich der Sozialismus sowjetischer Prägung blamiert hat. Die Freiheit des einzelnen wurde der ›großen Sache‹ untergeordnet. Das Marx-Zitat wurde ins Gegenteil verkehrt. Sein Freiheitsanspruch wurde ins kommunistische Utopia verschoben. Bis dahin galten andere Regeln. Dieser Kopfstand wurde auch noch als Dialektik verkauft.« Aus diesen Worten wird deutlich, wie schwer die junge Partei Die Linke auch heute noch am kaum bewältigten Erbe der DDR trägt! Verdeckter Angriff Hat Petra Pau so mit verdrehten bzw. mißverstandenen Zitaten der Klassiker erst einmal ihr windschiefes ideologisches Gebäude gezimmert, geht sie sogleich zum Angriff über. »Etliche Pro­tagonisten der Linkspartei waren der Meinung, im Zweifelsfall müsse das Soziale vor der Freiheit rangieren. ›Was nützt einem verarmten und AIDS-kranken Afrikaner die Pressefreiheit?‹ Das war nur eine Floskel, die als Argument für diese Position eingeführt wurde. Der Positiv-Kern: Ohne soziale Gerechtigkeit gibt es auch keine Freiheit als Menschenrecht.« Petra Pau sagt aber nicht, daß diese »Floskel« von Oskar Lafontaine stammt. Auch der Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, hat in einem Artikel dieses Zitat angeführt, ohne den Autor zu nennen.12 Fürchten beide etwa eine offene Konfrontation mit dem Noch-Vorsitzenden? Dabei hatte Oskar Lafontaine mit seinen Worten nur eine alte linke Binsenweisheit in Erinnerung gerufen. Auf dem Cottbusser Parteitag der Linken am 24./25. Mai 2008 wiederholte Lafontaine seine Aussage und wandte sich dann an seine Kritiker: »Wenn man sich zur Begrifflichkeit äußern will, muß man zwei Termini kennen, und die heißen nun einmal: hinreichend und notwendig. Und für die Freiheit gilt folgendes: Notwendig für die Freiheit ist selbstverständlich die politische Freiheit und die geistige Freiheit. Notwendig für die Freiheit ist selbstverständlich die soziale Gleichheit, denn es ist nun einmal richtig, den AIDS-Kranken in Afrika nützt die politische und geistige Freiheit wenig. Aber hinreichend für die Freiheit sind nur beide zusammen. Soziale Gerechtigkeit und politische und geistige Freiheit. Nur beide zusammen sind hinreichend. Eines allein geht nicht!« Da Petra Pau an der zitierten Aussage von Oskar Lafontaine in der Sache selbst nichts aussetzen kann, unterschiebt sie seinen Worten einen anderen, von ihr selbst fabrizierten Bedeutungszusammenhang, dem akzeptablen »Positiv-Kern« fügt sie einen »Negativ-Kern« an: »Der Negativ-Kern derselben Argumentation: Bürger- und individuelle Freiheitsrechte werden verhandelbar, wenn dies vermeintlich der sozialen Gerechtigkeit dient.« Genau das hat Lafontaine weder gesagt noch gemeint. Dies ist vielmehr eine böswillige Umdeutung seiner Aussage. Lothar Bisky hat kürzlich im Neuen Deutschland einen Artikel über die ungute Verdächtigungskultur in der Partei Die Linke veröffentlicht. Bei Petra Pau und Klaus Lederer kann er fündig werden. Mit dem formulierten Anspruch der libertären Linken, aus der Partei Die Linke eine »moderne, sozialistische Bürgerrechtspartei« machen zu wollen, hat die Debatte um das Programm eine Zuspitzung erfahren. Der Kampf um die Identität der Partei ist eröffnet. Marianna Schauzu ist Bundesparteitagsdelegierte der Sozialistischen Linken

[Links/Querverweise aus dem JW-Artikel - sogut das hier geht ...] 1 fällt schon aus, weil “Die Linke Reinickendorf” die Programmdebatte schon entfernt hat 2 Hermann Klenner, Deutsche Verfassungsprobleme – Geschichte und Gegenwart, in: Topos. Internationale Beiträge zur dialektischen Theorie, Heft 32, Dezember 2009, S.56. Vgl. auch Uwe-Jens Heuer (Hg.), Die Rechtsordnung der DDR. Anspruch und Wirklichkeit, Baden-Baden 1995 3 Georg Fülberth/Jürgen Harrer, Arbeiterbewegung und SPD, Darmstadt/Neuwied, 1974, S. 56 4 Friedrich Engels an Karl Kautsky, Brief vom 5. März 1892, MEW 38, S. 288 5 Friedrich Engels an Friedrich Adolph Sorge, Brief vom 5.März 1892, MEW 38, S. 290 6 Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Band 4, Stichwort Liberalismus, Berlin 1986, S. 774 f. 7 Rosa Luxemburg, Zur russischen Revolution, in: Gesammelte Werke, Band 4, 6. Aufl., Berlin 2000, S. 359 8 Dietmar Dath, Rosa Luxemburg, Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, S. 67 f. 9 a.a.O., S. 131 10 Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, in MEW 4, S. 482 11 Stephan Hermlin, Abendlicht, Wagenbach Verlag, Berlin 1987, S. 18 f. 12 Marianna Schauzu, »Antisozialistische Agenda« in: jW vom 6.10.2009 (Ende von Marianna Schauzu’s Beitrag in der JW)